Puma-Baby-Schilderung in epischen Dimensionen

Vorbemerkung: Ich "schreibe" meine Blogartikel ja immer im Kopf und tippe sie später am Computer nur noch schnell runter. Je länger ich also nur so da sitze und denke, desto länger wird der Blogartikel. Beim Warten auf den Puma saßen wir SEHR lange nur so da. Der zugehörige Blogeintrag ist dementsprechend SEHR lang ausgefallen. Aber bei Game of Thrones werden ja manchmal auf zehn Buchseiten irgendwelche komplett belanglosen Banner von irgendwelchen Häusern von denen man seit 2000 Seiten eh nicht mehr weiß wer die jetzt nochmal sind beschrieben. Und? Bestseller. Dann werdet ihr das hier wohl auch überleben.


Die Frage der Stunde, oder wohl eher der Nacht ist ja, ob sich Walter Moers eigentlich viel in die dunkle Natur setzt und die Schattenrisse von Bäumen gegen den dunklen Himmel anstarrt, wenn er an einem neuen Buch arbeitet. Bei mir persönlich entfaltet sich zumindest gerade, nach zwei Stunden im Dunkeln auf einem Klappstuhl in freudiger und gleichzeitig etwas angespannter Erwartung eines Pumas auf der Sandstraße vor mir, eine ziemlich waltermoersesque Szene in den Büschen und Bäumen am Straßenrand. Wo sich vor den Sternen Anfangs nur die Schatten von Gestrüpp abhoben, läuft mittlerweile ein düster aussehendes Maschinenwesen mit kleinem krähenförmigem Kopf und ganz offensichtlich gesundheitlichen Problemen, denn es hält sich den Rücken und geht am Stock. Sieht nach typischen Verschleißerscheinungen durch monotone Büroarbeit aus. Sicher findet es ganz schlecht einen ergonomisch passenden Bürostuhl für sein spinnenartiges Abdomen. Von Faszienrollen scheint man in seinem Universum auch noch nix gehört zu haben. Vor dem Maschinenwesen läuft ein gnomartiges Männchen mit Frack und Wackelfühlern auf dem Kopf her, das vom Habitus her der Butler des Maschinenwesens zu sein scheint und ein nicht erkennbares Volk auf dem Weg zu klatscht. Hinter dem Maschinenwesen drängt sich eine Schattenarmee merkwürdiger Wesen mit großen Mäulern, Hörnern und knochigen Armen.

Mit diesem Grundsetting lassen sich dann viele Geschichten ausdenken, mit denen man sich die weitere Stunde des Wartens auf den Puma vertreiben kann. Lässt einen den eisigen Wind und die Kälte, so wie den in keinster Weise ergonomisch vorteilhaften Klappstuhl in dem man sitzt fast vergessen. Sollte der Puma auftauchen, müsste ich mich in mindestens genauso gekrümmter Haltung wie das Maschinenwesen da vorne aus diesem Sitzmöbel schälen. Falls die Katze dann zubeißen sollte (würde sie natürlich nicht tun, aber mal hypothetisch), hätte sie bei mir heute eh nur 39284793487 Schichten Fleece mit Skiunterhose im Maul. Das ist dann wie in einen Wattebausch beißen. Dementsprechend würde sie sich dann lieber wieder dem toten Kalb zuwenden, das sie gestern gerissen hat und vor dem ich mit dem Filmteam jetzt gerade sitze und warte. Also kein Grund zur Besorgnis.  Irgendwo im Wald ruft ein Zebrakauz, ansonsten ist es still. Zu kalt, vermutlich sind alle Tiere im Neptunbad in der Kräutersauna. Aaaah das wäre jetzt was….

Gestern war die Warterei auf die Katze um einiges kurzweiliger und schneller von Erfolg gekrönt als heute. Von gigantischem Erfolg, darf man wohl sagen. Die Cowboys hatten ein totes großes Kalb oder eher eine junge Kuh entdeckt. Offensichtlich vom Puma gerissen, denn die Schnauze war blutig und zerfetzt und nur Pumas packen ihre Beute dort und ertränken sie im eigenen Blut. Die Nachricht der Cowboys an mich und das Filmteam, die wir natürlich ganz scharf auf solche Infos für die Filmarbeiten sind, war in der hausinternen Flüsterpost stecken geblieben. Daher erfuhren wir erst Stunden später davon und fuhren spät abends hin, nicht sonderlich optimistisch tatsächlich noch einer Katze zu begegnen. Aber immerhin wollten wir die Gopro davor installieren, um zu sehen ob der Puma vielleicht doch noch nachts zurückkommt. Als der Wagen hielt leuchteten wir die Umgebung ab. Nix. Nur die Leiche vom Rind, fast noch intakt bis auf das blutige Gesicht und ein Loch an der Schulter. Christoph der Kameramann machte sich bereit, die Gopro zu setzen, da hörte ich ein leises Ästeknacken in einem Baum in der Nähe. Licht drauf, oh…. hektisches Fernglas suchen…. tatsächlich: Eine Katze in einer Astgabel. Nicht ganz deutlich zu sehen, aber kleiner als der Puma und mit Punkten- also ein Ozelot. Kameramann baut sein Stativ vor dem Baum auf, kleine Slapsticknummer am Rande weil alle im Dunkeln in den omnipräsenten Gürteltierlöchern rumstolpern und dabei versuchen leise zu fallen, um die Katze nicht zu verscheuchen. Es wird gefilmt und ich arbeite mich derweil vorsichtig und möglichst geräuschlos aus dem Auto. Gehe auch näher an den Baum ran und habe jetzt einen besseren Blick auf das Tier im Baum. Hm…äh… die zwei schwarzen Flecken neben der Schnauze… die hat kein Ozelot. Das ist ein Puma… aber so klein? Während sich die Erkenntnis noch einen Weg durch meine lange Leitung bahnt, kommt Christoph schon mit Stativ und Kamera und leicht panischem Blick zurück zum Auto. Er hat es mittlerweile auch geschnallt: Das ist ein Pumababy!!!! Stellte sich vor allem für den Kameramann im Dunkeln im Gemüse die Frage wo sich die zugehörige Mama aufhält. Zwei sichern jetzt also die Umgebung- einer leuchtet auf des Pumababy, der andere in die umliegenden Büsche und Christoph stellt die Gopro mit LED-Leuchte vor der toten Kuh auf. Als alles fertig ist, schlage ich vor so zu tun als würden wir abreisen, das Auto aber stattdessen um die Ecke zu parken und uns in den Büschen mit Blick auf die Kuh zu verstecken. Dann warten was passiert, das Baby sitzt ja immer noch im Baum, vielleicht kommt es ja runter.

Im Dunkeln lauschen wir auf die Geräusche der Nacht. Ein paar Eulen, bei jedem Blatt das im Wind raschelt glaubt man etwas würde sich im Wald bewegen. Größere Sorge bereitet mir aber die Sandstraße in unserem Rücken- wenn da etwas lang kommt, hört man es nicht. Da knacken keine Zweige und kein Laub. Immerhin hebt sie sich ein bisschen im Licht der Milchstraße von den dunklen Büschen ab. Ich bilde mir ein ich würde sehen, wenn da ein Tier läuft. 

Dann, nach etwa einer halben Stunde, hallen leise, feine Pfiffe in die Nacht. Das Puma-Baby ruft. Mein Buch trägt ja immerhin nicht ganz umsonst den doofen Namen „Ich glaub mein Puma pfeift“. Die pfeifen tatsächlich. Dann wieder Stille und plötzlich eine Antwort aus der anderen Richtung! Es wird ein wenig hin und her gepfiffen, dann das Scharren von Krallen auf Rinde. Das Baby kommt vom Baum. Kleines Hörspiel im Stockdustern. Ich sterbe fast vor Spannung was als nächstes passiert. Die beiden spielen weiter ihr Marco-Polo-Hin-und-Herpfeifspiel, man hört wie sie immer näher aufeinander zukommen, dann Stille. Ich vermute, die Mama hat ihr Baby gefunden und jetzt herrscht erstmal Wiedersehensfreude bevor sie hoffentlich freundlicherweise an der Kuh vor der Kamera auftauchen. Und tatsächlich: Wenig später tauchen kleine, aufmerksam aufgerichtete Ohren hinter der Kuhleiche auf. Dann blau-grüne neugierige Kinderaugen. Das Baby kommt und macht sich an dem Loch in der Schulter der Kuh zu schaffen. Zerrt am Fleisch, schüttelt den Kopf hin und her um Brocken zu lösen. Die Kamera und das LED-Licht scheinen es nicht weiter zu stören. Dann funkelt nochmal ein paar grün leuchtender Augen im Licht der Leuchte: Der zweite Puma. Als er zur Kuh kommt wird aber klar: Das ist nicht wie vermutet die Puma- Mama sondern ein zweites Baby! So süß, wie es auf seinen kurzen, dicken Beinen angetappst kommt. Als es auch an dem Loch zu fressen beginnt, gibt es Stress mit dem Geschwisterchen. Mit lautem Knurren brät der eine dem anderen eins mit der Pfote über. Ich kann einfach nicht fassen, dass ich das gerade alles live miterlebe! Pumas sind um einiges schwieriger zu beobachten und vor allem zu filmen als Jaguare. Jaguare wissen, dass sie die Topprädatoren sind und sie sich nicht weiter Sorgen machen brauchen. Pumas sind viel vorsichtiger.  Und jetzt läuft hier neben mir die große Kamera und einen Meter vor den fressenden und spielenden Babys die Gopro und wir beobachten ihr Verhalten über eine Stunde lang. Sie turnen im Spiel sogar oben auf der Kuh herum. Sowas hat selbst die BBC noch nicht gefilmt!

Die Puma-Mama ist nach wie vor nicht in Sicht. Ich vermute, dass sie das Kalb für den Nachwuchs quasi eingetuppert hat, während sie Erledigungen machen gegangen ist. Das kleine Loch hat sie vorher in die Schulter gerissen, damit die Kleinen barrierefrei an das Fleisch kommen, und den Rest der Beute mit Sand bedeckt, damit alles möglichst lange frisch bleibt. Dann Windeln im Supermarkt kaufen gegangen oder was so ein Puma sonst so dringendes machen muss.

Nachdem Christoph jetzt zwar Puma Babys in allen Posen, allerdings nur im Funzellicht der Gopro gefilmt hat, entscheidet er das Risiko einer Störung einzugehen und ein weiteres Licht zu setzen. Auch das lassen die beiden Pumababys erst gelassen zu. Dann klappert aber das Stativ und eines schaut misstrauisch direkt zu uns rüber. Unbewegt, mit blutverschmiertem Mund, bestimmt eine Minute. Dann rauscht es in den Wald ab, während sich das andere Baby sorglos zu freuen scheint jetzt den ganzen Ku(h)chen für sich zu haben. Es frisst noch eine ganze Weile, während das andere Geschwisterchen besorgt im Busch nach ihm ruft. Irgendwann dackelt es dann auch ab. Wir fahren ebenfalls im Glückstaumel nachhause, lassen die Gopro aber laufen. Müde und gleichzeitig vollkommen euphorisch kommen wir spät an der Küche an. Erstmal eine Caipirinha. Zum Feiern, aber auch ein bisschen zum Aufwärmen. 

Heute haben wir die Gopro eingesammelt und konnten im Filmmaterial sehen, wie die Babys zurückkamen und nach einer Weile auch Mama Puma ihren Auftritt hatte. Eine Stunde lang hat sie vor der Gopro an der Kuh gefressen bevor der Akku der Kamera leer ging. Um die Kuh herum waren noch viele Katzenspuren zu sehen, darum sind wir jetzt, heute Abend, nochmal hergekommen um zu schauen was passiert. Während ich so meine Maschinenwesengeschichte spinne und diesen Blogeintrag im Kopf fertig schreibe, fällt meine Prognose was den Puma betrifft für heute nicht sehr optimistisch aus: Die Kuh wurde schon ganz schön von Geiern und Schweinen zerpflückt, der Darm zerrissen und das Fleisch dadurch beschmutzt. Ich vermute zwar schon, dass der Puma oder eher die Pumas (Pumen, Pumae?) irgendwann heute Nacht nochmal gucken kommt, aber nicht mehr fressen werden. Katzen sind ja pingelig. Meine Moral sinkt mit der Temperatur meiner Füße. Den anderen geht’s ähnlich. Ab nach Hause. Wir packen zusammen, knipsen die Taschenlampen an und ich versuche im nun beleuchteten Busch nochmal mein Maschinenwesen zu erkennen. Keine Chance. Ganz offensichtlich kommt es nur in der Dunkelheit raus. 

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