Tropenforschungsbesen für's deutsche Fernsehn

Blogschreiben auf heißen Kohlen. Auf der Nachbarfarm geht die Jaguarjagd in die nächste Runde. Es sollen GPS-Halsbänder angelegt werden um die Bewegungmuster von Jaguaren nachverfolgen zu können. Dazu haben Forscher Schlingfallen ausgelegt, die zuschnappen wenn die dusselige Katze ihr Pfote da reinsteckt. Oder die Ameisenbärenforscherin ihre Hand. In meinem Fall freilich nur zu Vorführzwecken, zeigen, dass das nicht weh tut. Das Filmteam filmte mich dabei. Gratis dazu bekamen sie meine fantastische Jaguarimitation, die sie so nicht bestellt und vermutlich auch nicht gewollt hatten. Ein bisschen wie den abgerockten Feldforschungsbesen mit dem sie gestern Nacht vor ihrer Kamera Vorlieb nehmen mussten. Da war nämlich schon mal ein Jaguar in die Falle getappt. 110kg. Ganz schöner Wäscher. Am ersten Tag der Einfangaktion und so promt hatte damit keiner gerechnet. Am wenigsten ich, jedenfalls fiel ich ziemlich derangiert aus dem Bett, als mich das Filmteam rief. Haare zu Berge, ungeschminkt (zumindest wenn man von den Mascararesten unter den Augen vom Duschen absieht) und hektisch übereinander gestapelte Klamotten, die Hälfte davon auf Links. Wie Plemm Kacki, würde meine Mutter sagen. Aber die wollen ja nur den Jaguar filmen, denke ich noch verstrudelt- und sehe mich einer Kamera gegenüber. Nein, es soll Jaguar mit Ameisenbärenforscherin gefilmt werden. Ach mensch ey. In zwei Jahren wird man mich also im deutschen Fernsehn verpennt und wie der letzte Krapfen neben einer dicken Katze herumtapern sehen. Vielleicht weckt es ja in den Zuschauern romantische Tropenforschergedanken ("Ach guck, die badet da sicher in den Seen, es gibt im Dschungel ja kein Badezimmer", "Ich habe schon mal gehört, dass es in Forschungscamps niemals Spiegel gibt.", "Man sieht ihr die Entbehrungen des Forscherlebens doch an..."). Zumindest klammere ich mich an diesen Gedanken fest. Ich habe aber auch noch eine andere Chance:  Wenn heute nochmal ein Jaguar in die Falle tappt, kann ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten top gestylt vor die Kamera schmeißen. Mit einer besonders eloquenten Perfomance könnte ich die Aufnahmen von gestern vielleicht in Vergessenheit geraten lassen. Sitze hier jetzt dementsprechend im feinsten Feldforschungszwirn (die Hose die nur ein einzelnes Loch hat) und gekämmten Haaren und hoffe auf eine neue Katze, neben der ich mich dann besser machen kann.

 

Während ich hier gerade die Wartezeit im Blog vertrödel kommt Stefan von der Safari nachhause. Er ist hier in der Lodge Guide und bewohnt das zweite Zimmer in diesem kleinen Haus hinter der Waschküche. Wir kennen uns auch schon seit zehn Jahren, ein Mitglied meiner pantanesischen Familie also. Er zeigt mir ein Video wie Meloni, unsere Haus-Katze, vor dem Haus heute mit dem Gürteltier gespielt hat. Fernab von Abendunterhaltung, Kino, Live-Musik, Bars und aktuell auch Youtubevideos und allgemein Internet (Internetantenne im Eimer, Detox auf allen Ebenen) liefert ja gottseidank die Natur um uns rum schon genug Zerstreuung (und süße Tiervideos). Wir denken über die Entwicklung eines einteiligen Anzugs in Wasserschweinform als Lockmittel für den Jaguar nach. Während ich kurz vor die Tür gehe um im Baum vor dem Fenster die Zwergeule zu fotografieren (so süß- nur 10 cm Eule aber 100% vernichtende Eulen-Attitude), geht die Unterhaltung durchs Mosquitonetz weiter: Der Einteiler sollte Sprungfedern in den Schuhen aufweisen um sich im letzten Moment wegkatapultieren zu können und eine aufblasbare Badehose zur Landung im See. Das Filmteam hatte mir nach meiner Jaguarperformance bei der Schlingfalle unterstellt, im Digital- und Urban-Detox langsam wunderlich zu werden. Meine Grundschullehrerin empfahl meiner Mutter, mir öfter Malen nach Zahlen vorzusetzen um die Fantasie zu zügeln. Stefan und mir täte demnach vermutlich eine schöne Ladung Beauty- und Lifestylevideos auf Youtube gut. Stefan meint, man muss ja schräg drauf kommen wenn man wie wir am Tag zehnmal mehr Schweine als Menschen sieht. Wo er recht hat...

 

Uh! Glaube ich muss los- neben der trällernden Zwergeule und dem immer weiter fabulierdenden Stefan höre ich eventuell ein Auto über die Farm fahren! Vielleicht Filmteam wegen Jaguar! 

 

Falscher Alarm. Kein Auto, kein Filmteam, kein Jaguar. Wo waren wir? Ach ja. Absurditäten im pantanesischen Alltag. Ein stückweit gewöhnt man sich an diese täglichen Merkwürdigkeiten. Aber gleichgültig, oder weniger lustig wird es nie. Es ist ein bisschen wie wenn man in Köln außerhalb vom Karneval einen der omnipräsenten Menschen mit Verkleidung sieht. Das gehört in dieser kostümierungsbegeisterten Stadt auch zum Alltag, ist aber trotzdem immer wieder etwas witzig und führt zu absurden Situationen. Hier haben wir halt statt Mensch im Kostüm den unheimlichen Nandu, der vor dem Fenster steht und einem mit starren Blick beim Arbeiten am Computer zuguckt. Oder den Kaiman über den man auf dem Weg zum Frühstück stolpert und damit die Wasserschweinfamilie im Garten zum Bellen bringt. Das Gürteltier, das wie selbstverständlich in die Häuser marschiert kommt (Claudia musste zwei davon am Schwanz unter ihrem Bett rauszerren). Die Anbrüllerei beim Mittagessen, weil 25 der eigentlich so seltenen Hyazintharas über dem Haus ein Heidenspektakel machen, während die Seriemas ihren schrillen Sirenengesang vom Stapel lassen. Oder eben die Warterei darauf, dass eine überdimensionierte Katze ihre Pfote in eine Schlinge steckt.

 

So wie mit der Absurdität verhält es sich glücklicherweise auch mit der Schönheit. Auch nach zehn Jahren im Pantanal erfüllt mich die Schönheit der Landschaft, der Sonnenuntergänge, der Hyazintharas und der anderen Tiere  immer wieder mit Erfurcht, Begeisterung und Staunen. Das nutzt sich nie ab und ich fühle mich nach wie vor unfassbar privilegiert hier ein zweites Zuhause gefunden zu haben. Da ist das Pantanal wie unser fantastischer Dom in Köln: Da kann man auch zum 1000sten Mal vorbei laufen und hält doch nochmal kurz inne, schaut nach oben und ist stolz in dieser schönen Stadt zu wohnen.  

 

 

 

PS.: Kein Jaguar in der Falle. Also gibt’s 2021 den Forschungsbesen im Fernsehn. Driss.

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Kommentare: 1
  • #1

    Judith (Sonntag, 04 August 2019 16:47)

    Wie Plemm Kacki hihihihi! Hab Tränen gelacht und kanns kaum abwarten dich als Jaguar und Forschungsbesen in diesem phantastischem Film zu sehen...Großartig.